Warum ich manchmal darüber froh bin nicht in einer Band zu spielen

Vor-und Nachteile des Bedroom Studios

Musikmachen am Computer kann zuweilen ziemlich eintönig sein. Nehmen wir z.B. die Suche nach einem Snare Sound in der Datenbank. Dort befinden sich Tausende Varianten, die allesamt fantastisch klingen, jedoch nicht immer zum Song passen wollen. Also Skipt man einfach weiter und sucht und sucht. Manchmal stundenlang. Und immer wieder schallt ein lautes Paaaaaf durchs Zimmer oder ein Pääääng, auch ein Patsch oder Piff ist schon mal dabei. Und so vergeht Stunde um Stunde: Paaaaf, Paaaaf, Paaaaaf. Pääääng, Pääääng, Päääääng, Patsch, Patsch, Patsch, Piff, Piff, Piff usw. usf. Und manchmal stelle ich mir dann wirklich die Frage, ob ich wirklich noch alle Latten am Zaun habe und wie schön es wäre, wieder mit echten Menschen zusammen Musik zu machen.

Doch dann fällt mir wieder ein, was uns schicksalhaftes in den 90ern mit unserer Band widerfahren ist.

Verkettung unglücklicher Umstände und ein Silberstreif am Horizont

Kurze Vorgeschichte: unser Schlagzeuger ist im denkbar schlechtestem Moment ausgestiegen und wir hatten von jetzt auf gleich keinen Groove mehr in der Band. Da wir aber einen Crossover Sound mit brachialen Gitarren und Rapgesang zum besten gaben, war ein Drummer dafür unerlässlich. Wie es der Zufall will, machte unser Front of House Mischer eine Kneipe mit Live Musik auf. Jedoch nur mit Akustik Sets, also unplugged sozusagen. Eine prima Gelegenheit unser Set umzustellen, umzuarrangieren und musikalisch im Tritt zu bleiben. Nach einer Weile fiel uns jedoch auf, dass irgendwas fehlte: Der Beat. Und bitte keinen Drumcomputer mit auf die Bühne nehmen! Also hatten wir die glorreiche Idee einen Percussionisten zu finden, der uns die rhythmische Basis für die Songs liefert. Nicht übertrieben laut. Einfach nur ein groovender Unterbau, der nebenbei noch als Timekeeper fungiert.

Und tatsächlich stiessen wir auf Empfehlung von Musikerkollegen auf jemanden, der diese Rolle prima ausfüllen könnte. Ich nenne ihn mal einfach ‚P‘, so wie Percussion. (Ich nenne mal bewusst keine Namen hier, damit sich niemand im Nachhinein angepisst fühlt.)

P. wurde uns als talentierter Musiker angepriesen, der zudem bei einem sehr bekannten Kölner Percussionisten Unterricht nahm und ein offenes Ohr für verschiedene Stilrichtungen hat. Also genau unser Ding!

Ein (vermeintlicher) Glücksgriff

Beim ersten Treffen hat P. auch einen Super Eindruck gemacht. Mit leichter Zurückhaltung lieferte er die dezente rhythmische Untermalung für die immerhin 14 Songs, machte sich Notizen über Tempo, Titel und Stimmung des jeweiligen Songs, griff zu den unterschiedlichsten Instrumenten, fragte auch schon mal interessiert bei uns nach, bot unterschiedliche Patterns an und machte uns rundum zufrieden und glücklich.

Direkt am nächste Tag haben wir dann den  einen unplugged Gig gebucht und freuten uns darauf,  endlich wieder live spielen zu dürfen. Also nix wie in den Proberaum, 3x wöchentlich. Sind schließlich nur noch 2 1/2 Wochen bis zum Gig und alles sollte richtig sitzen.

Und jetzt beginnt der Albtraum:

Zunächst dachten wir ja noch P. hätte sich ab und zu mal vergriffen. Kann schließlich jedem mal passieren und 14 Nummern sind kein Pappenstiel. Darauf angesprochen antwortete er jedoch stets mit so nem hektischen ‚Jaja, ähm, äh, nee das muss…, mach ich mal so jetzt…‘ Schon ein wenig komisch das Ganze, zumal P. wenn wir was über die Songs & die Arrangements sagten er nie zugehört hat. Fummelte an seinen Trömmelchen rum und murmelte parallel zum Gesagten ‚Jaja, muss ich noch mal, nee oder so jetzt….‘ Bei den ersten Proben bin ich ja noch cool geblieben, aber als sich im Laufe der Zeit tatsächlich ein Kommunikations- oder Verständnisproblem eingeschlichen hat, bat ich ihn einfach mal,  die Dinge nicht so kompliziert zu machen. ‚Einfach den Groove spielen, vorm Refrain bißchen rausnehmen und dann alles geben. In der Strophe wieder runter.‘ ‚Jaja, muss ich noch mal, da hab ich was Moment, ich probier mal‘.

Die totale Eskalation

Wie ihr euch sicherlich schon denken könnt, es wurde nicht besser. Absolut nicht. Ganz im Gegenteil. Der Groove war komplett nebensächlich, es war eher so etwas wie ein Perkussions Solo, völlig unabhängig von den Songs. Es fing an  zu stören. Mich zu stören. Und ich machte mir Luft. ‚P., bitte spiel doch einfach nur den Groove, keine Soli mitten in der Nummer.‘ Ich machte ihm dann mit dem Mund vor wie ich das meine. Einen Beat, der auf der Eins anfängt ganz einfach. Und da ging’s los. Er wurde richtig böse! ‚Nein! ein Perkussionist spielt nicht auf der 1!, immer nur Off Beat!‘ Er sei schließlich Schüler des bekanntesten Percussionisten Kölns und der hätte das auch gesagt. Was der so sagt ist mir komplett Wumpe, entgegnete ich ihm einigermassen sauer mittlerweile. Von so einer Regel hatte ich auch bis dato noch nie in meinem Leben gehört. Erst recht nicht, wenn man mit so einer Regel die Songs plattmacht.

Schlechte Laune im Proberaum

Es ging also nicht mehr ums Musikmachen, sondern um die Regeln, die es dabei zu beachten gilt. Und zwar Regeln, die sich irgendein Schwachmat selber ausdachte. So was liebe ich ja. Stimmung im Keller und der Zeitdruck erhöhte sich für uns. Und wir wurden von mal zu mal schlechter. Ich musste mir was ausdenken und bot P. an einen 2. Percussionisten zu engagieren, der die konventionellen Beats übernimmt und er seine Klamotten dazu macht. Wie blöd war ich eigentlich damals?

Der 2. Perkussionist

Ich kannte einen Conga Spieler. Original aus Kuba. Mit Groove im Blut. Und ich erklärte ihm die Situation. ‚Wir brauchen Dich für die konventionellen Beats, auf die 1 bitte und P. spielt dazu den Off Beat Kram.‘ ‚Ja ok, kein Problem. Machen wir. Super!‘ Sowas schätze ich ja. Keine grosse Labererei. Kurz erklären was gebraucht wird, er liefert und fertig. Das Leben ist schon kompliziert genug.

Welcome to Hell

Nun, was sich jetzt im Proberaum abspielte lässt sich nicht so einfach in Worte fassen. Rückblickend muss ich sogar sagen, dass ich danach mit den Nerven am Ende war. Aber was passierte da genau? Ich stellte allen den neuen Congaspieler vor und erläuterte kurz noch mal wie das alles zusammengefügt werden sollte, um die Songs zu untermalen.

Und dann ging’s richtig ab. Mitten in den Liedern lieferten sich die beiden eine Trommel Battle. Sie hauten wie die Bekloppten auf ihren Scheißdingern rum und nickten sich gegenseitig zu, lachten fröhlich und wurden von Minute zu Minute extremer in ihrer Session. Wie so ein Trommelseminar auf einer Waldorf Schule. Jeder drückt seine Gefühle durch Gekloppe aus. Der eine vielleicht die Erlebnisse in der Kneipe vom gestrigen Abend, der andere vielleicht seine Kontonummer? Ich war sprachlos.

Also setzte ich noch einmal im ruhigen Ton an und erklärte zum xten Mal den Sinn dieses Auftritts. Die Lieder eben. Keine Trommelgruppe, kein Kita- Verhalten. Einfach nur Musik machen. Mehr nicht.

Und jetzt kam das Unglaubliche: Als wir wieder zum wiederholten Male auf die 1 zu sprechen kamen und die ja ihren Sinn und Zweck allein dadurch erfüllt, dass alle gleichzeitig mit dem Song beginnen und auch irgendwann zusammen wieder aufhören, schrieen mir plötzlich beide (!!!) Percussionisten entgegen, niemals auf der 1 zu spielen, sondern immer nur im Off Beat zu bleiben.

Also Leute, stellt euch das mal vor. Wie ich plötzlich dastand.  In den Augen meiner alten Bandkollegen. Der, der heroisch den Drumcomputer rigoros ablehnte, um mit echten Zweibeinern Musik zu machen. Der, der sich nach seinem grandiosen Fehlgriff einen noch grandioseren und vollkommeneren Fehlgriff leistete. Ich stand da wie ein Vollidiot.

‚Was schleppst Du für Leute an Pfütze?‘

Jetzt auch der Congaspieler. Der, der vorher völlig einsichtig und vernünftig klang, gebar sich plötzlich wie ein besessener Starrkopf und komplett überzeugter Off Beat Player. Ich konnte schon das eine Wort Offbeat nicht mehr hören und hatte jetzt dafür zwei Idioten am Hals. Wie ein Fluch. Nur noch 2 Proben bis zum Auftritt und wir diskutierten über Offbeats. Hätte ich ein Fläschchen Weihwasser dabei gehabt, ich hätte es über die beiden Bumsköppe geschüttet. Nur um zu sehen, ob nicht doch vielleicht eine dunkle Macht dahinter stecken könnte, die mir das Leben versauern will.

Mir platzte tatsächlich der Kragen und ich schmiß den Congaspieler umgehend raus. Wir konzentrierten uns in den letzten beiden Proben auf unsere Parts und liessen den P. seine Kaspersachen machen. Einfach nur so. Damit Ruhe ist. Beim Auftritt versuchte ich den Blickkontakt mit P. zu vermeiden. Ich hasste ihn jetzt ein bißchen. P. war sogar so dreist, er brachte ein paar Kumpels mit, die beim Soundcheck (!!!) auf die Bühne kamen um mit P. so mal einfach ein bißchen rumzulabern, auf seine vielen Spielsachen rumzuhauen, blöd guckten und uns die Konzentration nahmen. P. und seine Kumpels kamen mir vor als wären sie uns von einem anderen Planeten gesandt worden. Nach dem Gig sagte ich dann dem P. dass wir keine unplugged Auftritte mehr planen und hab mich noch höflich bei ihm für seine musikalischen Errungenschaften bedankt. Das wars dann. Gottseidank!

Fazit

Was ich damals immer so blöde mit dem Mund nachgemacht habe, also den Groove den ich meine, bastele ich mir mittlerweile in 5 Minuten am Rechner zusammen. Keine Offbeatdiskussionen mehr. Keine Missverständnisse. Keiner tanzt mehr seinen Namen. Keiner haut wie ein Doofer auf ner Trommel rum.

So meine ich das eben:

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